Leseprobe 1:
Das fehlende Handbuch
Lesen Sie hier den Beginn von Kapitel 3 „Das fehlende Handbuch”: Text mit Bildern als pdf-Datei öffnen.
Leseprobe 2:
Privatsphäre und Datenschutz: Was gehört auf Facebook und was nicht? ..
der Beginn des Kapitels 4 „Probleme und Herausforderungen meistern“
Ein Gespräch zwischen Petra und Peter, Paula und Petro über die Frage, mit wem sie auf Facebook ihre Informationen teilen.
Peter: Ich habe gar keine Ahnung, wer da was von mir liest. Habe ich mich nie drum gekümmert.
Paula: Bist Du bescheuert? Die Einstellungen zur Privatsphäre ändern, das ist doch das erste, was man machen muss!
Petro: Genau.
Petra: Aber echt. Wie macht Ihr das denn?
Paula: Ich teile immer alles nur mit meinen Freunden.
Petro: Ich nehme immer „Freunde von Freunden“, das sind ja auch nicht so viele.
Paula: Quatsch, das sind voll viele.
Petra: Manche Sachen teile ich auch gar nicht. Wenn ich meine Handynummer da neben meinem Profilfoto veröffentliche, habe ich ja gar keine Kontrolle darüber, wer was mit der Nummer anstellt.
Paula: Und sowas wie „Religionszugehörigkeit“, das geht echt niemanden etwas an, finde ich.
Petro: Ich finde die Aufregung irgendwie übertrieben. Ich kann ja genau kontrollieren, was ich wem preisgebe.
Petra: Falsch, kannst Du nicht. Die meisten Informationen über Dich habe ich gar nicht von Dir, sondern von Deinen Freunden bekommen. Du postest selbst zwar keine Bilder von Dir, aber Deine Freunde schon. Und wenn jemand irgendwo schreibt: „geil, mit Petro gestern abgehangen bis nachts um drei“, dann hast Du gar nicht selbst kontrolliert, was da wer über Dich weiß.
Petro: Facebook weiß voll viel. Als ich mich da angemeldet habe, wußten die schon, wen ich kenne. Bevor ich selbst überhaupt dort angemeldet war!
Paula: Bei mir hat mal eine Freundin ein Foto von uns im Badeanzug gepostet. Das haben dann andere so verändert, dass wir da nackt drauf waren. Die Freundin hat das Foto sofort wieder gelöscht, aber das Nacktfoto war da irgendwie schon sonstwo gelandet.
Petro:Man muss halt irgendwie abwägen, was man da postet und was nicht.
Petra: Ich finde, man muss schon sehr auf Datenschutz achten.
Peter: Wenn andere was über mich schreiben, dann geht das doch nicht um Datenschutz. Es geht um Respekt!
Warum eigentlich Datenschutz?
„Datenschutz“ ist ein Begriff, mit dem Facebook wenig anfangen kann. Wer in der Facebook-Hilfe nach „Datenschutz“ sucht, erhält kaum Ergebnisse. Der Suchbegriff, mit dem man dort weiterkommt, lautet „Privatsphäre“. Auch jenseits von Facebook wird in Deutschland inzwischen anstelle von „Datenschutz“ häufig der englische Begriff „privacy“ benutzt. Datenschützer in Deutschland sind darüber nicht unglücklich. Sie haben schon länger damit zu kämpfen, dass der trockene Begriff „Datenschutz“ ihr Anliegen nur begrenzt zutreffend beschreibt. Eine beliebte Parole unter ihnen lautet: „Datenschützer schützen nicht Daten, sondern Menschen.“
Warum ist Datenschutz für Menschen wichtig? Der Volksmund kennt die Antwort: „Wissen ist Macht.“ Erweitert lässt sich formulieren: „Weil aus Daten schnell Wissen werden kann, gilt: Daten sind Macht.“ Wer Daten über eine andere Person hat, der hat auch Macht über sie, kann ihr Verhalten besser einschätzen, vielleicht sogar voraussagen, kennt ihre Wünsche, ihre Schwachstellen, vielleicht sogar ihre Geheimnisse. Macht über das Verhalten anderer, das gilt sogar umgekehrt und „vorauseilend“: Wenn man weiß, dass das eigene Verhalten beobachtet wird (also: Daten darüber zu Dritten gelangen), dann passt man das eigene Verhalten vorsorglich an, unterlässt manches und verhält sich angepasst an den Blick durch Andere.
Es schränkt also die Freiheit einer Person erheblich ein, wenn andere Daten über sie haben. Und man schränkt die eigene Freiheit sogar selbst ein, wenn man nicht weiß, wer genau welche Information bekommt. Das Bundesverfassungsgericht hat 1983 diesen Umstand gewürdigt und ein neues Grundrecht formuliert: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Jeder Mensch soll so weit wie möglich selbst bestimmen können, wer welche Information über ihn bekommt. Nur so kann die Freiheit durchgesetzt werden, sich möglichst unabhängig von anderen zu verhalten, wie man es selbst für richtig hält.
Was sollte man wem über sich selbst mitteilen? Mit dem Transparent durch die Stadt
Man stelle sich den düsteren Extremfall vor: Petra kann nicht sicher sein, aber sie muss immer damit rechnen, dass ihre Handlung von Freunden, Eltern, Nachbarn, Lehrern und der Polizei beobachtet wird. In der Offline-Welt würde das ihr Handeln ganz empfindlich einschränken. Bei Facebook ist das nicht so auffällig, weil die Beobachtung „unsichtbar“ und damit weniger präsent ist. Für Jugendliche hilft zum Verständnis oft der Vergleich mit der Offline-Welt. Man kann sich bzw. das eigene Kind zum Beispiel fragen: „Würdest Du diesen Inhalt, den Du da auf Facebook veröffentlicht hast, auch auf ein Transparent drucken, Dir ein Schild mit Deinem vollen Namen umhängen und mit Transparent und Namensschild durch die Straßen Deiner Stadt laufen? Am Haus Deiner Eltern und der Nachbarn vorbei, über den Schulhof, durch die Kirche, den Supermarkt, vor das Polizeirevier und zum Abschluss vor das Fenster der Fotoredaktion der Lokalzeitung?“ Wer diese Frage uneingeschränkt mit Ja beantworten kann, der kann den Inhalt des Transparents auch auf Facebook mit der Einstellung „öffentlich“ einstellen. Wer zögert, der sollte auch die eigenen Einstellungen zur Privatsphäre auf Facebook genauer überprüfen. (Eine Merkhilfe: die Einstellung „öffentlich“ oder „alle“ auf Facebook könnte auch „transparent“ heißen – so wie das Plakat, mit dem man durch die Stadt läuft.)
Keine Patentlösung
Was kann einer Person passieren, wenn (welche) Daten über sie in welche Kreise gelangen? Schon die vielen W-Worte in dieser Fragen zeigen, dass die Antwort alles andere als einfach ist. Ein und dieselben Daten, zum Beispiel das Geburtsdatum, die Religionszugehörigkeit, ein Urlaubsfoto, die Meinung über den Schulunterricht oder über Petras neue Frisur, können gänzlich unproblematisch sein, wenn ich sie mit einem begrenzten Kreis teile. Doch der „begrenzte Kreis“ ist bereits der Knackpunkt. Häufig wird diskutiert, dass Menschen ihre Daten bei Facebook „für die ganze Welt öffentlich“ machen würden. Das kann zwar viele Probleme mit sich bringen, lenkt aber vom Kern der Sache ab, denn die meisten Jugendlichen geben ihre Inhalte nicht für „die ganze Welt“ frei. Aber nicht „die ganze Welt“ macht das Problem aus, sondern schon eine einzige, ganz konkrete Person. Und diese Person kann für jeden Einzelfall eine ganz andere sein. Das Urlaubsfoto sollen zum Beispiel die Eltern nicht unbedingt sehen; die Meinung über die Schule sollen vor dem Lehrer verborgen bleiben; die Religionszugehörigkeit geht den potentiellen Arbeitgeber nichts an.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen: Es ist gar nicht so einfach, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung in die Praxis umzusetzen. Es gibt keinen Schalter „Privatsphäre“ bei Facebook, den man nur umlegen müsste, um alles abzusichern. Im Gegenteil: Es gibt Dutzende von Einstellungsmöglichkeiten zur Privatsphäre. Theoretisch kann man dort zu jeder einzelnen Veröffentlichung jede einzelne Person bestimmen, die den Inhalt sehen kann. Praktisch ist das zu aufwändig, und es müssen Mittelwege gefunden werden.
Der Unsinn von „möglichst wenig freigeben“
Die Einstellungen zur Privatsphäre wurden in Kapitel 3 dieses Buches beschrieben. Es ist nicht einfach, die vielen und komplexen Möglichkeiten und Funktionen überblicken und bedienen zu können. Und doch ist die Bedienung nur ein Teil dessen, was man für einen kompetenten Umgang in Sachen Datenschutz auf Facebook braucht. Der andere Teil besteht aus den Entscheidungen, wie man diese Einstellungen nutzt, welche Daten man wem freigibt und welche nicht.
Eine beliebte Empfehlung findet man in vielen Ratgebern und Sonntagsreden: Du musst bei Facebook immer möglichst strenge Einstellungen zur Privatsphäre nutzen! Dieser Rat ist gut gemeint, aber schlecht umzusetzen. Nehmen wir diese Empfehlung beim Wort: „Möglichst wenig“ würde im Extremfall einfach heißen „gar kein Facebook“. Nutzt man doch Facebook, dann ist die strengst mögliche Einstellungen fast immer „nur für mich selbst sichtbar“. Würde man sich an diese größtmögliche Geschlossenheit halten, würde man bei Facebook nicht weit kommen. Denn der gute Rat verkennt eine Grundeigenschaft Sozialer Netzwerke: Facebook ist dafür gemacht, 1. Inhalte mit anderen zu teilen und 2. darauf Resonanz zu bekommen. Je offener man etwas teilt (also je weniger streng die Einstellungen zur Privatsphäre sind), desto höher ist die Aussicht auf Resonanz. Wer Facebook mit möglichst wenig geteilten Inhalten nutzt, der wird auch wenig davon haben. Die grundsätzliche Eigenschaft von Facebook und der gut gemeinte Rat widersprechen sich gegenseitig!
Ein Balanceakt, für den es Übung braucht
Es wäre zu schön gewesen, wenn die einfache Regel aus den Sonntagsreden funktioniert hätte. Man wüsste immer eindeutig, was man tun und was man lassen sollte, ob man Offenheit (Inhalte mit vielen Menschen teilen) oder Geschlossenheit (Inhalte mit wenigen oder gar keinen Menschen teilen) wählt. Was kann man nun stattdessen als Leitlinie befolgen? Es gibt keine einfache Wahrheit, nach der man genau weiß, was richtig und was falsch ist. Es lässt sich nur folgender allgemeine Grundsatz formulieren:
Du musst bei Facebook immer zwischen Offenheit und Geschlossenheit abwägen! So viel Offenheit wie nötig, damit Du Deine Ziele erreichst. So viel Geschlossenheit wie möglich, damit die unerwünschten Risiken und Nebenwirkungen möglichst unwahrscheinlich bleiben.
Abzuwägen zwischen zwei Zielen heißt immer: Balancieren! Für einen Balanceakt helfen Theorie, Richtlinien und Belehrung nur begrenzt weiter. Es braucht vor allem eines: Übung. So wie wir Menschen durch Erfahrung und Übung lernen, gegenüber anderen Menschen zwischen Vertrauen und Zurückhaltung zu balancieren, so müssen wir auch bei Facebook lernen, zwischen Offenheit und Geschlossenheit zu balancieren.
Wer einen Balanceakt üben will, der tut gut daran, die ersten Versuche nicht gleich auf dem höchsten Drahtseil, ohne Netz und ohne Trainer zu unternehmen. Genauso verhält es sich auch bei Facebook: Je weniger erfahren man ist, desto niedriger sollte das Seil und desto näher dran sollte der Trainer sein. Durch Übung und (manchmal schmerzhafte) Erfahrung lernt man dazu und kann sich nach und nach auf höher gespannte Seile trauen und auch mal ohne den Trainer aufs Seil.
Was heißt das konkret für die Begleitung von Kindern und Jugendlichen auf Facebook?
Die Höhe des Seils ist die Offenheit. Gleich alles mit allen teilen, gleich auch private und heikle Inhalte zu posten, das ist, also ob man gleich zu Beginn auf dem Drahtseil in großer Höhe einen Salto rückwärts ausprobiert. Das kann gut gehen, aber man kann auch leicht abstürzen. Also gilt: Ungeübte Facebook-Nutzer beginnen mit Geschlossenheit, mit harmlosen Inhalten und begrenztem Zugang für andere. Das Höchste der Gefühle sollte zu Beginn die Einstellung „Freunde“ sein. Besser noch: Man teile für den Anfang seine Inhalte nur mit handverlesenen Kontakten, einzeln ausgewählt oder über eine Liste (vgl. Abschnitt xyz) definiert. Erst wenn man sich auf diesem Niveau sicher fühlt, kann man sich an den offeneren Einstellungen ausprobieren und „gewagtere“ Inhalte teilen. Sobald man sich dabei unwohl fühlt, nutze man im Zweifelsfall die geschlosseneren Einstellungen!
Das Auffangnetz unter dem Drahtseil gibt es bei Facebook nicht. Wenn man einen Inhalt veröffentlicht hat und daraus unerfreuliche Konsequenzen entstehen, kann man den Inhalt vielleicht noch löschen, aber die Folgen nicht mehr rückgängig machen. Als Ersatz für das Auffangnetz kann man sich eine „Gedanken-Probe“ erschaffen. Also: Man formuliere einen Inhalt und die gewünschten Einstellungen zur Privatsphäre, ohne den Inhalt aber tatsächlich abzusenden. Stattdessen zeigt man ihn sich selbst (oder Eltern, Freunden, Vertrauten) mit der Frage: Was könnte passieren, wenn ich das mit dieser Offenheit poste? Hilfreich kann es auch sein, sich den erdachten Inhalt für eine Nacht oder eine Woche ins Regal zu legen und dann rückblickend zu fragen: Hätte ich das so absenden sollen? Oder war es nur eine fixe Idee, die ich später bereut hätte oder die einfach überflüssig war?
Der Trainer ist jemand, der schon Erfahrung auf dem Drahtseil hat und dem Neuling beratend zur Seite stehen kann. Dafür muss er nicht selbst jede Situation kennen, in die sein Schützling geraten kann. Häufig kommt es eher darauf an, die richtigen Fragen zu stellen oder einfach nur als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen.
Nun ist es gerade bei Jugendlichen nicht immer so, dass sie ihre Eltern als Berater hinzuziehen wollen. (Je jünger die Kinder sind und je facebook-kompetenter sie ihre Eltern erleben, umso häufiger geschieht das.) Aber schon ein einzelnes Gespräch kann helfen, wenn darin die Bilder vom Transparent und vom Drahtseilakt besprochen wird. Aller Erfahrung nach hilft es sowohl den Eltern als auch den Kindern, wenn Eltern dabei nicht als Prediger auftreten, sondern sich selbst auch als Suchende und Übende verstehen. Auch im Sport muss ein Trainer ja nicht all das beherrschen, was sein Schützling lernen will. Er muss es nur verstehen.
3 Gedanken zu „Probekapitel“